Direkt zum Hauptinhalt Hinweis zur Darstellung
Bild 0
München, 1993

Dankesreden

Zu Celibidaches bevorstehendem 75.Geburtstag und zur Würdigung seiner Verdienste um die Arbeit mit den Münchner Philharmonikern verlieh die Stadt München am 21.Juni 1987 Sergiu Celibidache die goldene Ehrenmünze der Landeshauptstadt. Die Laudatio hielt Oberbürgermeister Georg Kronawitter. Celibidache bedankte sich für diese Auszeichnung mit einer kurzen, vorbereiteten Rede und mit teilweise ironischen bis sarkastischen Anspielungen auf die letztendlich erfolgreiche, aber nicht immer ganz konfliktfreie (acht Jahre währende) Zusammenarbeit mit den Stadtverantwortlichen. Diese Rede wird nun im folgenden vollständig wiedergegeben:



 

Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren,

ich bedanke mich für das, was Sie mir zeigen und bezeugen wollen, aus dem ganzen Herzen. Ihre wunderbaren Gedanken erinnern mich an Goethes Wort an Zelter: "Denn ein herzlich Anerkennen ist des Alters zweite Jugend". So vergesse ich gerne, daß ich ein Jahr älter geworden bin und daß die schöne Zeit, die Zeit als wir das Schöne wiederentdeckt haben und weitergegeben haben, ein Ende haben muß.

Ich kann die Feier und die hohe mir verliehene Auszeichnung nur symbolisch verstehen. Wir feiern heute den sichtbaren, bekannten und vermuteten Grund eines musikalischen Unternehmens. Einen Ast aus der schönen Krone eines uns allen teuer gewordenen Baumes. Ich kann nicht einen Augenblick nicht an den tatsächlichen Träger dieser Entwicklung denken: Meine philharmonischen Brüder, diese so oft beneideten Wenigtuer, die hörbaren Meister und eigentlichen Schöpfer mancher magischen Offenbarung, ohne deren bedingungslose Bereitschaft und anregende Zusammenarbeit absolut nichts möglich gewesen wäre und mit denen ich heute von ganzem Herzen alles teilen möchte.

Zahlreich waren die beschützenden Einflüsse und inspirierenden Hintergründe, die ich als wohltuende Kraftquellen empfand und die mir die notwendige Gewissheit auf dem Weg zur erstrebten Leistung gegeben haben. An dieser Stelle möchte ich das Vertrauen des Stadtparlamentes erwähnen. Bis heute habe ich nicht verstanden, wie sich unsere Stadträte, die, wie wir später erfahren haben, nicht unbedingt eifrige Konzertbesuicher waren, damals auf den Namen Celibidache, dem eine loyal-madige Pressekampagne vorauseilte, einigen konnten. Ich bin glücklich, daß auch diejenigen, die noch nie ein Konzert von uns gehört haben, heute mit Berechtigung sagen können: Wir sind immer dabei gewesen.

Meine Beziehungen zum Orchester, die ich gerne als sehr harmonisch bezeichne, haben sich, wie durch ein Wunder, auf unser Publikum übertragen. Ich denke mit großer Dankbarkeit an diese Entsprechung. Wir haben alle erlebt, daß einigen eingeweihten Kreisen die Tatsache nicht recht war, daß sich in München im Laufe der Zeit ein gewisses "Celi-Publikum" gebildet hat. Daß eine allmähliche Emanzipation der Konzertbesucher der sogenannten Fachpresse gegenüber trotz unermüdlicher Bemühungen und zerstörerischer Absichten stattgefunden hat, war unvermeidlich und ist für mich und meine Arbeit eine wunderbare Belohnung.

Wir glauben alle nicht so recht an die Zahnschmerzen einer stummen Säge und noch weniger an die Mühe der ehrgeizigen Glatze, die gerne Locken drehen möchte. Wir waren in diesen letzten Jahren mit schwierigen Problemen konfrontiert. Das ist der Wunsch des alten Geburtstagskindes: Probleme, die keiner gewollt hat, die aber alles erschwert, getrübt und verlangsamt haben, diese unvollendete Symphonie der Unbeständigkeit und Unzuverlässigkeit, die wir alle in- und auswendig kennen, möchten wir Philharmoniker nicht wieder spielen.

Ich sehe diesen Gegensatz, diesen für mich so dramatischen Gegensatz, von dem in München in der letzten Zeit soviel die Rede ist, nicht. Auf der einen Seite die Stadt, die Verwaltung, auf der anderen die Philharmoniker. Wieso gibt es zwei Seiten? Wo ist der Gegensatz? Was bringt uns auseinander? Was will die Stadt, was die Philharmoniker nicht wollen? Wollte die Stadt nicht ein Weltorchester? Wir auch! Wer kann bestreiten, daß die Philharmoniker, ohne einen Augenblick lang zu vergessen, was sie tun - denn sonst wäre das alles nicht möglich gewesen - das schönste für Ruhm und Ehre ihrer Heimatstadt geleistet haben. Und wie wäre das alles ohne die volle Unterstützung der verantwortlichen Vertreter der Stadt, die schließlich eine künstlerische Einstellung voraussetzt, möglich gewesen. Wo sind die zwei Seiten, auf welcher Seite ist die Idee, die uns alle beseelt hat, und auf welcher Seite ist die Verwirklichung für die wir alle gemeinsam gearbeitet haben?

Nein, meine Damen und Herren, die Philharmoniker sind die Stadt, und die Stadt spielt, wenn auch fraktionsbedingt mit verschiedenen Fingersätzen, ab und zu Orchester. Das ist die Wahrheit, die einzige die ich kenne. Ich weiß nicht, ob es mir in diesem Leben noch gelingen wird, diejenigen, die diese Spaltung für eine stehende Realität halten, vom Gegenteil zu überzeugen. Auf alle Fälle, wenn ich gefagt würde, auf welcher Seite ich sei, würde meine Antwort immer heißen: Auf der Seite Münchens!

Sergiu Celibidache


Zu Celibidaches bevorstehendem 80.Geburtstag wurde ihm schließlich eine noch bedeutendere Würdigung Münchens zu Teil, die Auszeichnung mit der Ehrenbürgerwürde der Stadt. Diese wurde ihm in einer Festveranstaltung am 27.Juni 1992 von Oberbürgermeister Georg Kronawitter verliehen und Celibidache bedankte sich auch diesmal mit einer Rede, einer allerdings diesmal wesentlich kürzeren:



 

Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren,

die Aufnahme meiner Person in die ruhmvolle Reihe der bedeutenden Männer dieser Stadt hat mein Herz mit einer neuen Zuversicht und Genugtuung erfüllt. Ich bedanke mich herzlich für diese einmalige Ehre und bin glücklich, daß das kulturelle Schicksal und die musische Zukunft dieser Stadt in den Händen solcher Bürger liegt, die vom gleichen Ideal beseelt sind, wie ich und unentwegt seine Verwirklichung erstreben. Ich bitte Gott, mir weiterhin die Kraft zu geben, die Menschen, die in dieser eindeutigen und einmaligen Form an mich geglaubt haben, nicht zu enttäuschen und mich in der wachen Erinnerung dieser brüderlichen Umarmung weiterleben zu lassen.

Sergiu Celibidache


Bitte beachten Sie:
Die grafische Darstellung dieser Seiten ist mit dem Browser, den Sie gerade verwenden, nur eingeschränkt möglich!
Optimale Ansicht besteht ab den Versionen: MS Internet Explorer 5.x, Netscape 7.x, Mozilla, Firefox (empfohlen), Safari, Opera 6.x oder anderen Browsern, die mindestens "CSS 2.0" beherrschen.
Sämtliche Texte auf dieser Seite sind jedoch selbstverständlich für alle Systeme in vollem Umfang zugänglich.